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PYTHAGORAS UND DER BUND DER PYTHAGOREER
Letzte Änderung dieses Themas: 12.02.2011
INHALT:
Der Mensch Pythagoras

Die Lehre

Der Priester

Der Philosoph
Der Politiker

Der Naturwissenschaftler

Der Heilkundige

Der pythagoreische Orden
Dieser Textinhalt entstammt der Zeitschrift TAU, Jahrgang 11/88. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Alfried Lehner.

Lesen Sie dazu auch:
"Die Esoterik des Pythagoras"
Der Politiker

Wenden wir uns nun dem Politiker Pythagoras zu: Als er nach Kroton übergesiedelt war, sprachen sich seine klugen Reden rasch herum, und so wurde Pythagoras bald von den Stadtvätern aufgefordert, auch vor ihnen zu sprechen.
Das erste, was er ihnen riet, war, ein Musenheiligtum zu errichten, um die Eintracht der Bürger zu erhalten.
Der hohe Stellenwert jener Hüterinnen aller Harmonie verrät die Grundhaltung des Pythagoreertums schlechthin: Ziel ist:
"die Freundschaft aller mit allen. Freundschaft der Götter mit den Menschen durch Frömmigkeit und wissende Verehrung, Freundschaft der Lehren untereinander und überhaupt Freundschaft der Seele mit dem Leibe, Freundschaft des Vernunftbegabten mit den Arten des Vernunftlosen durch Philosophie und die ihr eigene geistige Anschauung.
Freundschaft der Menschen untereinander: Freundschaft unter Mitbürgern durch Gesetzestreue, die den Staat gesund erhält, Freundschaft Verschiedenstämmiger durch richtige Naturerkenntnis, Freundschaft zwischen Mann und Frau, Kindern, Geschwistern und Hausgenossen durch unverbrüchliche Gemeinschaft.

Kurz: Freundschaft aller mit allen und noch dazu mit manchen vernunftlosen Lebewesen durch Gerechtigkeit, durch das Bewusstsein der natürlichen Verflochtenheit und Solidarität.

Freundschaft des sterblichen Leibes in sich selbst, Befriedung und Versöhnung der einander entgegenwirkenden Kräfte, die in ihm verborgen sind, durch Gesundheit, entsprechende Lebensführung und durch Besonnenheit nach dem Vorbilde des Gedeihen schaffenden Zusammenwirkens unter den kosmischen Elementen."
Ein wahrhaft umfassendes Humanitätsziel begegnet uns hier. Eine Weltbruderkette schwebt Pythagoras vor, deren Glieder Menschen sind, die nach Vervollkommnung streben.
Das war das Ziel seines Erziehungsplanes für Staatsmänner, Jünglinge und Frauen. "Fasset das Vaterland als einen Pfand auf, das ihr gemeinsam von der Mehrheit der Mitbürger empfangen habt.

Verwaltet es daher so, dass eure Vertrauens-würdigkeit auch auf eure Erben übergehen kann. Dies wird sicher geschehen, wenn ihr euch allen Bürgern gleichstellt und nur in der Gerechtigkeit ihnen etwas vorraushabt."
So begann er seine Erziehungsarbeit an den Politikern, und wir möchten diese Worte in großen Lettern an alle Parlamente und Regierungsgebäude der Gegenwart schreiben. Aus diesem Grundsätzen entwickelt Pythagoras nun die einzelnen Erziehungsziele und Tugenden, die er in seinen Reden vor den Stadtvätern, den Jünglingen und den Frauen formulierte.
Von den regierenden Körperschaften forderte er, ihre Worte so zu wählen, dass sie auch ohne Eid zuverlässig sind.

Auch das eigene Hauswesen des Politikers muss dem Vertrauen gerecht werden, das seine Stellung erfordert. Dies bedeutet eheliche Treue und liebevolle Zuwendung gegenüber den Kindern.

"Werdet selbst durch euer geordnetes Wesen und durch eure Besonnenheit den Hausgenossen und den Mitbürgern zum Vorbild... Verbannet aus euren Handlungen die Trägheit!... Die ärgste Übeltat ist, Kinder und Eltern voneinander zu trennen. – Denjenigen halten ich für den Besten, der von sich aus das Nutzbringende voraussehen kann, für den Zweitbesten, wer auf Grund fremder Erfahrungen das Förderliche erkennt, für den Schlechtesten aber, wer abwartet, bis er durch ein Unglück verspürt, was das Bessere gewesen wäre."

Man hat beim Lesen dieses Tugendkataloges den Eindruck, es sie für unsere Zeit geschrieben. So auch seine Worte zum "Wahlkampf":
"Wer sich eifrig einsetzen will, wird nicht fehlgehen, wenn er sich die Sieger im Wettlauf zum Vorbild nimmt.
Denn auch sie tun den Gegenspielern nichts Böses, sondern trachten nur danach, selbst den Sieg zu erlangen. Ebenso steht es den Politikern an nicht den Widersprechenden übel zu wollen, sondern diejenigen zufördern, die auf ihn hören.

Wenn es um wahrhaft guten Ruhm zu tun ist, den fordre ich auf, wirklich so zu sein, wie er den andern gern erscheinen will."

So ließ Pythagoras den "Ersten", welcher Gemeinschaft er immer vorstünde, nur gelten, wenn er der "Ehr-Würdigste" war. "Denn kein Haus und kein Gemeinwesen hätte jemals gut verwaltet werden können, ohne dass einer wahrhaft der Erste gewesen wäre und seine Herrschaft mit dem Einverständnis der Bürger ausgeübt hätte."

Die Jünglinge ermahnte er zur Ehrerbietung den Älteren gegenüber, die Eltern höher zu achten als sich selbst.
"Begegnet einander so, dass ihr den Freunden nimmermehr zu Feinden und den Feinden so schnell wie möglich zu Freunden werdet. Bewähret im Anstand gegenüber Älteren die Gesinnung guter Söhne und in der Menschenfreundlichkeit gegenüber den anderen die brüderliche Kameradschaft."
Die Besonnenheit hielt er für eine der wichtigsten Tugenden gerade der Jünglinge, da das Jünglingsalter seine Natur zu der Zeit erprobe, da die Begierden am stärksten sind.

Und der Pädagoge Pythagoras unterstreicht seine Lehre durch Verweis auf die Folgen der Zuchtlosigkeit am Beispiel das Kampfes um Troia, der jedem Zeitgenossen aus der Ilias bekannt war: Um der Zuchtlosigkeit eines Einzelnen willen

(der Raub der Helena durch Paris) stürzten Griechen und Troianer ins tiefste Unglück.

Auf Bildung und Schulung des Denkens legte er höchsten Wert. "Geistesbildung ist eine innere Schönheit", so spricht der Verehrer der Musen. Auch eine gesunde und natürliche Sexualerziehung der Jugend nimmt in seiner Lehre einen wichtigen Raum ein. Er beruft sich dabei auf die Schule des Asklepios.
"Weder unter Pflanzen noch unter Tieren bringen die frühreifen gute Frucht; vor dem Frucht bringen muss vielmehr eine gewisse Zeit verstreichen, damit Samen und Früchte aus Körpern entstehen, die stark und voll entwickelt sind. Knaben und Mädchen muss man also mit gebührenden Arbeiten, Übungen und Strapazen aufziehen und ihnen zugleich diejenige Nahrung zuführen, die einem fleißigen, besonnenen und ausdauernden Leben entspricht. Viele Dinge im menschlichen Leben sind so geartet, dass man sie besser erst spät kennen lernt.

Dazu gehört auch der Gebrauch von Aphrodites Gaben. Daher muss der Knabe so geführt werden, dass er vor dem zwanzigsten Lebensjahr nicht nach solchem Verkehr strebt. Ist er aber dahin gelangt, so soll er nur sparsam davon Gebrauch machen."

Wie immer wir Heutigen über diese Forderungen
denken – mögen wir sie lediglich als sitten-geschichtlich interessant finden – bezeichnend für die Weisheit der Pythagoreer ist der erzieherische Ansatz für dieses Ziel; denn Iamblichos lässt Pythagoras fortfahren: "Dies lässt sich erreichen, wenn der geordnete Seelenzustand für etwas Ehrwürdiges und Schönes gilt: Zuchtlosigkeit und geordneten Seelenzustand trifft man nämlich durchaus nicht bei demselben Menschen an."

Der geordnete Seelenzustand als Erziehungsziel – ein wahrhaft nachdenkenswertes Konzept.
Man denkt unwillkürlich an die immer häufiger werdenden Konsultationen von Psychiatern durch Jugendliche unserem Land (und nicht nur hier). Dabei geht es selbstverständlich nicht nur um die Folgen im Sexualverhalten.

Wie Iamblichos an vielen Stellen seiner Pythagoras-Schrift deutlich macht, wussten die Pythagoreer sehr wohl, dass die praktischen Tugenden des Alltags, welche die Voraussetzung sind für ein friedliches Zusammenleben der Menschen und Völker, wie von selbst aus einem geordneten Seelenzustand erwachsen.

Es ist beeindruckend, wieviel Raum Pythagoras der Vorbereitung des Umfeldes einräumt, bevor Kinder in die Welt gesetzt werden sollen.
Da geht es darum, "vorher besonnen und gesund gelebt zu haben und noch so zu leben, er (Der Erzeuger) darf sich weder zur Unzeit vollfressen noch Dinge zu sich nehmen, die das körperliche Befinden verschlechtern, noch – und am allerwenigsten – betrunken sein...

Überhaupt galt den Pythagoreern für völlig leichtsinnig und unüberlegt, wer im Begriffe, Leben zu schaffen und einem Menschen zum Werden und ins Dasein zu führen, nicht mit allem Ernst dafür vorsorgte, dass für die Neuentstehenden der Eintritt ins Sein und ins Leben sich so lieblich wie möglich gestalte.

Zwar sorgten die Hundefreunde durch Wahl der richtigen Eltern, des richtigen Zeitpunktes und der richtigen Verfassung der Erzeuger mit allem Eifer dafür, dass die Welpen zahm werden, und dasselbe gelte auch von Vogelzüchtern. Ja, auch die übrigen, denen es um edle Tiere zu tun sei, sorgten mit aller Umsicht dafür, dass die Zeugung nicht dem Zufall überlassen bleibe.
Die Menschen aber kümmerten sich gar nicht um die eigenen Nachkommen, sondern zeugten blindlings und völlig aufs Geratewohl und zögen die Kinder dann auch mit aller Nachlässigkeit auf. Dies sei auch der trifftigste und einleuchtendste Grund für die Schlechtigkeit der meisten Menschen."

Pythagoras beton dann noch die hohe Bedeutung der Tapferkeit für ein freies Gemeinwohl. Er selbst soll Gewaltherrschaften beseitigt und zerrüttete Gemeinwesen geordnet haben. So wenigstens berichtet Iamblichos.
Zu den Frauen soll er zunächst über die Opfer gesprochen haben. Wer ein Gelübte tut oder betet, der sei rechtschaffen; "denn auf solche Menschen hören die Götter".
Am höchsten sei die Lauterkeit zu schätzen. die Opfergaben sollen mit eigener Hand bereitet sein und ohne Hilfe von Sklaven an die Altäre gebracht werden (Man lässt nicht opfern!)... Mit Mord und Totschlag aber ehret das Göttliche nicht und wendet auch bei einem einzigen Anlass nicht soviel auf, als würdet ihr niemals wieder an den Altar treten."
Über das Verhalten zu den Ehemännern sagt Pythagoras: "Daher ist es recht, entweder dem Ehemann in nichts zu widerstreben, oder es dann für Sieg zu halten, wenn man ihm nachgibt." "Kommst du von deinem ehelichen Gemahl, so ist es göttliches Recht, noch am selben Tage an die Heiligtümer heranzutreten, keineswegs aber, wenn du von verbotenem Umgang kommst...

Redet euer Leben lang nur wenige gute Worte und sehet darauf, dass auch die anderen nur Gutes über euch reden können." Und nun folgt ein Hoheslied auf die Frauentugend:
"Beschämet nicht die Mythenschreiber, welche die Gerechtigkeit der Frauen erkannten, die ohne

Zeugen Kleidung und Schmuck hergeben, wenn eine andere dessen bedarf, ohne dass je aus solchen Vertrauensbeweisen Prozesse oder Streitigkeiten entstehen: so schufen sie den Mythos von den drei Frauen, die alle zusammen nur ein Auge benützten – so gut verstanden sie sich. Überträgt man das nämlich auf männliche Wesen und behauptet, einer habe etwas was er vorher empfangen, freundlich zurückgegeben, ja noch bereitwillig etwas Eigenes mit einem anderen geteilt, so wird einem das keiner glauben, denn es ist Männern wesensfremd."

Pythagoras predigte auch die Schlichtheit als Frauentugend mit der Folge, dass sich die Frauen fortan einfacher kleideten, " keine wagte mehr ihre teuren Kleider anzuziehen, vielmehr hängten alle Frauen von Kroton Zehntausende von Kleidern als Weihgaben im Heiligtum auf."

Die pythagoreischen Erziehungsziele können nicht abgeschlossen werden, ohne auf einen bereits angeklungenen Weg hinzuweisen: "....das Sehen schöner Formen und Gestalten und das Hören schöner Rhythmen und Melodien – , so wies er der Erziehung durch die Musik die erste Stelle zu", sagt Iamblichos und bringt immer wieder Beispiele, die belegen sollen, wie Pythagoras durch Musik Erzürnte beschwichtigte, Träge anspronte, oder Heilungsprozesse bei Kranken, insbesondere bei seelisch Kranken, unterstützte.

INHALT:
Der Mensch Pythagoras

Die Lehre

Der Priester

Der Philosoph

Der Politiker

Der Naturwissenschaftler

Der Heilkundige

Der pythagoreische Orden

Dieser Textinhalt entstammt der Zeitschrift TAU, Jahrgang 11/88. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Alfried Lehner.

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"Die Esoterik des Pythagoras"

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