Der Heilkundige
Die Betrachtung des Naturwissenschaftlers Pythagoras kann nicht abgeschlossen werden, ohne auch auf den Heilkundigen einzugehen.
Wissenschaft und Forschung, Philosophie und Kunst waren für Pythagoras nicht zu trennen. Alles Wissen musste Konsequenzen nach sich ziehen, musste angewandt werden im Sinne eines göttlichen Auftrags.
Zwischen Wissenschaft und Mysterienwissen, zwischen praktischer Arbeit und Esoterik wurde das einende Band gesucht, wie das später in gleicher Konsequenz vielleicht nur noch Rudolf Steiner mit seiner anthroposophischen Bewegung getan hat.
Von Iamblichos wissen wir, dass die Pythagoreer die Heilkunst in hohen Ehren hielten. Er berichtet:
"In der Medizin erkannten sie am meisten die Diätetik an.
Darin sollen sie sehr genau gewesen sein: erstens versuchten sie, Anzeichen zu erkennen, um das rechte Gleichgewicht zwischen Arbeit, Nahrungsaufnahme und Ruhe zu finden; sodann haben sie sogar die Zubereitung von Speisen eigentlich erstmals zu erörtern und genau zu regeln begonnen.
Öle und Salben sollen die Pythagoreer häufiger angewandt haben als frühere Ärzte, von Arzneien hielten sie weniger; davon benützten sie am meisten die Heilmittel gegen Schwären;
Schneiden und Brennen ließen sie jedoch am allerwenigsten zu.
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Auch Beschwörungen sollen sie gegen einzelne Krankheiten angewandt haben.
Sie nahmen auch an, die Musik trage wesentliches zur Gesundheit bei, wenn man sie in der rechten Weise gebrauche.
Ebenfalls benützten sie Homer- und Hesiodworte, die so ausgewählt waren, dass sie die Seele zurechtbrachten."
Von dem Arzt und Philosophen Alkmaion von Kroton, einem jüngeren Zeitgenossen des Pythagoras, ist uns die Lehre vom Gleichgewicht der Kräfte, Stoffe usw. im Makro- wie im Mikrokosmos überliefert, die eine weitreichende Entwicklung hatte und mit Sicherheit auf pythagoreischem Ursprung zurückgeführt wird.
"Alkmaion behauptet, die Gesundheit werde durch das Gleichgewicht der Kräfte erhalten: das Feuchten, und Trocknen, Kalten und Warmen, Bitteren und Süßen usw. Die Alleinherrschaft einer unter ihnen sei sie die Ursache der Krankheit...
Krankheit stelle sich ein, was ihren Ursprung betreffe, infolge von Übermaß von Wärme oder Kälte; was aber ihren Anlass beträfe, infolge von Übermaß oder mangel an Speisen; was aber das >>Wo<< angehe, so habe sie entweder im Blut oder im Mark oder im Gehirn ihren Sitz.
Zuweilen aber entständen hier Krankheiten auch aus äußeren Ursachen: infolge der Beschaffenheit des Wassers oder des Landes oder infolge der Überanstrengung oder Foltern oder dergleichen.
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Die Gesundheit dagegen beruhe auf der gleichmäßigen Mischung der Qualitäten."
Diese "Ganzheitsmedizin" ging so weit, dass
auch die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses einbezogen wurde.
Iamblichos berichtet:
"Ein Pythagoreer stand nicht vom Lager auf, ehe er sich, was gestern geschehen war, in Erinnerung gerufen hatte.
Dabei ging er folgendermaßen vor: er versuchte in Gedanken zu wiederholen, was er zuerst gesagt oder gehört oder nach dem Aufstehen als erstes den Hausdienern befohlen hatte, was als zweites und was als drittes.
Ebenso überdachte er auch das Zukünftige.
Weiter überlegte er, wem er beim Hinausgehen als ersten begegnet war und wem als zweiten, und welche Reden als erste, zweite und dritte geführt worden waren.
Für das weitere gilt dasselbe. Versuchte er doch alle Ereignisse des ganzen Tages in Gedanken zu wiederholen, in der Absicht, sich an jedes Einzelne in der tatsächlichen Reihenfolge zu erinnern.
Hatte er aber nach dem Aufwachen mehr Zeit, so versuchte er auf dieselbe Weise zu wiederholen, was vorgestern geschehen war."
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